KISS – Kinder in Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeit stärken

    Diese Aufgabe hatten wir uns  zum Ziel gesetzt, nachdem 2021, verstärkt durch die Folgen der Corona-Pandemie, bundesweit in den Einschulungsuntersuchungen ein überproportionaler Anstieg des sozialen und emotionalen Förderbedarfs festgestellt wurde. Gefördert durch das Program AUF!leben des  Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie die deutsche Kinder- und Jugendstiftung haben wir das soziale Lernen von Kitakindern unterstützt! Vom 01. Juli 2022 bis 31. August 2022 führten wir ganztägige, lebendige Projekttage in mehr als 25 Kindertagesstätten mit Kindern zwischen drei und sieben Jahren aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz durch. Die Ergebnisse haben die jeweiligen Erwartungen übertroffen: die KISS-Projekttage wurden von den Kindern und pädagogischen Fachkräften vor Ort begeistert angenommen!

    Im Vordergrund der KISS-Projekttage standen das Erleben von Selbstwirksamkeit und Solidarität sowie das Thema Helfen allgemein: Hilfe holen, Hilfe leisten, Hilfe erhalten. Erlebnispädagogische, kooperative Spiele und “Aufgaben” zur Förderung positiver, psychosozialer Erfahrungen und Steigerung der sozialen und emotionalen Kompetenzen bewirkten erkennbar einen Zugewinn an dem Entwickeln von Schlüsselressourcen wie Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, innerem Mut und Zutrauen und eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls.

    Um den Kindern von Beginn an eine hohe und spielerische Identifikation mit dem Thema Helfen zu ermöglichen, setzte die Kursleitung die bereits aus den Erste-Hilfe-Kursen für Vorschulkinder bekannte und beliebte Anatomiepuppe „Erwin“ ein. Durch die geführten Dialoge mit Erwin, seine lebhaften „Berichte“ über Erlebtes und sein regelmäßiges „Mitmachen“ bei Spielen lenkte er „im Hintergrund das Geschehen“ und blieb somit als Identifikationsfigur und Rollenmodell während des gesamten KISS-Projekttages präsent. Durch die Puppe wurden potentielle Barrieren oder Hemmschwellen der Kinder, sich aktiv zu beteiligen, von Anfang an abgebaut.

    Der aktive Lernprozess förderte intensiv und nachhaltig die Motivation und die Freude am Umgang mit neuen, aber auch bekannten Themen, indem möglichst viele Sinne der Kinder angesprochen wurden. Die Kursleitung verfestigte Erlerntes oder Gehörtes dadurch, indem sie die Kinder im Raum selbst das Erlebte nachspielen und erfahren ließ – haptisch, akustisch, visuell. So spielten die Kinder beispielsweise den Blutkreislauf des Menschen nach, indem sie als Sauerstoffteilchen, Lunge, Herz oder Blut die Muskeln, das Gehirn oder andere Organe „versorgten“, in unterschiedlichen Bewegungsformen durch den Raum und mit visueller Unterstützung durch Bildkarten, ein Anatomieposter oder die Möglichkeit, bei Erwin „in den Bauch zu schauen“ und die einzelnen Organe und Funktionen zu erfühlen. Über das Aufstellen von Warndreiecken und dem Erzählen der fiktiven Geschichte eines Verkehrsunfalls wurden die Kinder animiert, eine entsprechende Geschichte mit Spielzeugautos, Hindernissen, Warnwesten usw. zu kreieren und nachzuspielen, um zu erleben, in welchen Situationen wir in Not geraten können und wie wir helfen können. Spielerisch setzten wir einen Notruf ab, indem ein echtes Handy und ein von der Kursleitung dargestellter Mitarbeiter der Notrufzentrale zum Einsatz kamen. Darüber hinaus wurden die Kinder beim Betrachten und Begehen der Lebensräume vor Ort für mögliche Gefahren sensibilisiert: warum liegt eine Matte unter der Sprossenwand, warum sind Reinigungsmittel in der Kita für Kinder unzugänglich, wie schützen wir uns im Straßenverkehr, wie kann ich Hilfe holen? Angeregt durch den von Erwin erzählten Bericht, wie er sich beim Kuchenschneiden mit einem Messer verletzt hatte und ihm von der Kursleitung geholfen wurde, ließen sich die Kinder schließlich selber helfen, indem sie sich gegenseitig Verbände anlegten, mit Kühlakkus versorgten, Hilfe bei Erwachsenen holten und tröstende und beruhigende Worte für den im Spiel „verletzten“ Freund oder die traurige Freundin trösteten und beruhigten. Sie erlebten sich so „hautnah“ als selbstwirksam in ihrer Rolle des Hilfebedürftigen oder des Helfenden.

    Geprägt war der jeweilige KISS-Kurstag jedoch auch durch zahlreiche kooperative Teamspiele. Die Kinder erlebten, dass viele (spielerische) Situationen am besten in der Gruppe und in vertrauensvoller Zusammenarbeit gelöst werden können, und dass jeder und jede seinen bzw. ihren individuellen Beitrag zur Hilfe und zum Gelingen leisten können. So war es bei dem Ablaufen eines Hindernisparcours als kooperatives Wettbewerbsspiel mit einem kleinen Ball auf einem Esslöffel nicht entscheidend, welcher Einzelne „die Punkte macht“ oder „schneller als Ziel kommt”, da die Zusammenarbeit im Team bzw. In der jeweiligen Gruppe bewertet wurde. Bemerkenswert hierbei war, wie sehr die Kinder sich bei den Spielen, aber auch bei den Aufgaben, Erwin in fiktiven Situationen zu helfen, anfeuerten, unterstützten und miteinander freuten, wenn sie die Aufgabe erfüllt, das Spiel vollbracht hatten. Alle Kinder erlebten sich als gleichwertig und gleichwirksam. Den gefühlten Höhepunkt bildete jeweils das Anwenden der großen, bebilderten „Aktionskarten“, auf denen je eine Situation beschrieben war, in der Erwin durch ein Missgeschick in eine missliche Lage gekommen war und die die Hilfe, den Rat der Kinder erforderte. Mit Begeisterung spielten sie dann live vor Ort nach, in welchen Teilschritten Erwin (gespielt in dem Moment durch ein hilfeempfangendes Kind) geholfen, getröstet und unterstützt werden kann. Auch hierbei waren stets die Zusammenarbeit und das Zusammenwirken vieler Kinder gefragt.

    Am Ende des KISS Projekttages wünschten die allermeisten Kinder zum Abschied immer noch eine Umarmung von Erwin, ein Abklatschen mit den Händen. Und oft wurde an die Kursleitung die Frage gestellt:

    Kommst Du morgen wieder?“

    Unsere Referentinnen