Dank der Unterstützung der Heidehof Stiftung konnte die M-A-U-S Charity im Frühjahr und Sommer 2022 an der Durlacher Schule am Turmberg mehrere Erste Hilfe Spielaktionen sowie eine Erste Hilfe AG umsetzen.

Es ist kein seltenes Phänomen: Menschen, die beispielsweise durch einen Unfall, ein Missgeschick oder eine Gewalttat in gesundheitlich bedrohliche Situationen geraten, erfahren von anderen Erwachsenen oftmals keine Hilfe. Passanten ignorieren einen Mann, der scheinbar leblos auf einer Bank liegt. Autofahrer fahren an einer frischen Unfallstelle bei, ohne anzuhalten und Erste Hilfe zu leisten. Hinterher geben diese Menschen als Grund für ihr Nichthandeln an, „keine Fehler machen zu wollen“ oder nicht zu wissen, was sie richtigerweise hätten tun sollen. Oder sie gehen davon aus, dass andere reagieren, sich um den oder die Verletzte kümmern würden. Dabei ist es  unerheblich, ob fehlende Solidarität, Unsicherheit oder Ignoranz die Gründe für das Ausbleiben von Hilfeleistungen sind: der Zustand der Person, der in einer Notlage nicht geholfen wird, verschlimmert sich mitunter rapide mit jeder Minute.

Kinder hingegen kennen diese Zweifel oder Vorbehalte nicht. Aufgrund ihrer kindlichen Neugier, Empathie und am Menschen orientierten Offenheit wollen und können sie bereits in sehr jungen Jahren lernen, wie sie anderen Menschen in Notlagen helfen können. Sie erleben im Rahmen der Erste Hilfe Schulungen nachhaltig die  Selbstwirksamkeit ihres Handelns. Selbst vermeintlich kleine Schritte können oft entscheidend sein für den weiteren Gesundheitszustand des Hilfesuchenden: der Anruf bei der Notrufzentrale über 112, das Verbinden von blutenden Wunden oder das Kühlen von Personen bei Überhitzung. Kinder lernen bei der Ersten Hilfe, dass ein auf  Solidarität, gegenseitige Aufmerksamkeit und Unterstützung ausgelegtes Leben in einer Gesellschaft allen zugutekommt: den Menschen, die situativ Hilfe benötigen, und den Menschen, die helfen.

Diese Überzeugung haben wir zum Anlass und als Antrieb genommen, in den Klassen 1 bis 5 der Durlacher Schule am Turmberg Erste-Hilfe-Kurse durchzuführen. Sowohl die einmaligen Projekttage in den ersten vier Jahrgangsstufen als auch die insgesamt neun AG-Tage in der fünften Klasse sollten die Schüler:innen zum einen in ihrer erlebten Selbstwirksamkeit, Teamfähigkeit und Entwicklung gemeinsamer Handlungs- und Lösungsstrategien fordern und fördern. Zum anderen war das Ziel, durch die praktische und anschauliche Vermittlung basaler Erste Hilfe-Maßnahmen die fachliche Kompetenz in diesem Bereich auf- und auszubauen, auch mit der Idee, über die Erste Hilfe als Vehikel die Sozialkompetenzen von Kindern mit Förderbedarf zu stärken und die Erste Hilfe Angebote perspektivisch dauerhaft an der Förderschule am Turmberg zu  etablieren.

Erste Hilfe Ausbilder

  • Tanja Mesitschek

    Tanja ist erfahrene Erste Hilfe Ausbilderin für Groß und Klein. Seit vielen Jahren schult sie betriebliche Ersthelfende und begeistert Kinder aller Altersklassen für das Thema Erste Hilfe. Hunderte Kinder sind…...

Erste Hilfe Spielaktionen in der 1. und 2. Klasse

Um den Kindern von Beginn an eine hohe und spielerische Identifikation mit dem Thema Helfen zu ermöglichen, setzte die Kursleitung die Anatomiepuppe „Erwin“ ein.  Durch die geführten Dialoge mit Erwin, seine lebhaften „Berichte“ über Erlebtes und sein regelmäßiges „Mitmachen“ bei Spielen lenkte er geschickt das (Spiel- und Lern-)Geschehen  und blieb als Identifikationsfigur und Rollenmodell während des gesamten Projekttages präsent. Durch die Puppe wurden potenzielle Barrieren oder Hemmschwellen der Kinder, sich aktiv zu beteiligen, von Anfang an abgebaut.

Die Kursleitung verfestigte Erlerntes oder Gehörtes dadurch, indem sie die Kinder im Raum selbst das Erlebte nachspielen und erfahren ließ – haptisch, akustisch, visuell. So spielten die Kinder beispielsweise den Blutkreislauf des Menschen nach, indem sie als Sauerstoffteilchen, Lunge, Herz oder Blut die Muskeln, das Gehirn oder andere Organe „versorgten“, in unterschiedlichen Bewegungsformen durch den Raum und mit visueller Unterstützung durch Bildkarten, ein Anatomieposter oder die Möglichkeit, bei Erwin „in den Bauch zu schauen“ und die einzelnen Organe und Funktionen zu erfühlen. Über das Aufstellen von Warndreiecken und das Erzählen der fiktiven Geschichte eines  Autounfalls wurden die Kinder animiert, eine entsprechende Geschichte mit Spielzeugautos, Hindernissen, Warnwesten usw. zu kreieren und nachzuspielen, um zu erleben, in welchen Situationen wir in Not geraten und wie wir helfen können. Spielerisch setzten sie einen Notruf ab, indem ein echtes Handy und ein von der Kursleitung dargestellter
Mitarbeiter der Notrufzentrale zum Einsatz kamen. Darüber hinaus wurden die Kinder beim Betrachten und Begehen der Lebensräume vor Ort für mögliche Gefahren  sensibilisiert: warum liegt eine Matte unter der Sprossenwand im Turnraum, warum sind Reinigungsmittel in der Schule für Kinder unzugänglich, wie schützen wir uns im Straßenverkehr, wie kann ich Hilfe holen? Angeregt durch den von Erwin erzählten Bericht, wie er sich beim Kuchenschneiden mit einem Messer verletzt hatte und ihm von der Kursleitung geholfen wurde, ließen sich die Kinder schließlich selbst helfen, indem sie sich gegenseitig Verbände anlegten, sich mit Kühlakkus versorgten, Hilfe bei Erwachsenen holten und tröstende und beruhigende Worte für den im Spiel „verletzten“ Freund oder die traurige Freundin fanden. Sie erlebten sich so „hautnah“ als  selbstwirksam in ihrer Rolle des Hilfebedürftigen oder des Helfenden.

Erste Hilfe Spielaktionen in der 3. und 4. Klasse

Die Kursleitung erzählte eine durchgängige Geschichte („story telling“) über die auch hier mitgebrachte Anatomiepuppe Erwin: Erwin erlebt verschiedene Situationen, in  denen er sich verletzt, einen Unfall hat oder vor brenzligen Situationen gerettet werden muss. Als Orientierung dienen neben den entsprechenden Aktionskarten  impulsgebende bzw. erläuternde Bilder oder Materialien. Jede Aktionskarte beschreibt eine fiktive Situation, für die die Kinder zunächst eine praktische Lösung und  Handlung finden und durchführen sollten, bevor die Geschichte mit einer weiteren Aktionskarte fortgeführt wurde. Visuell „begleitet“ wurde der Fortgang der Geschichte mit dem  Spielefortschrittsstrahl, auf dem „Erwin auf einer Bildkarte“ mit jeder durchgeführten Aktion ein Feld vorrückt – vom ersten Feld mit einem traurigen Gesicht bis hin zum Zielfeld mit einem fröhlichen Gesicht. Alle drei bis vier Felder (oder individuell je nach Ausdauer der Kinder) wurde außerdem, symbolisiert durch ein farblich  hervorgehobenes Spielefortschritt-Feld, ein Spiel aus dem Spielekartenstapel gezogen und umgesetzt. Dies waren überwiegend Spiele ohne besonderen Materialbedarf und mit geringem Aufbau-Aufwand, angepasst an die räumlichen Gegebenheiten eines Klassenraums, um den Prozess der Geschichte nicht zu sehr zu unterbrechen. So lernten die Kinder thematisch aufeinander aufbauend den Inhalt einer Verbandstasche, die korrekte Verwendung von Rettungsdecken, Warndreiecken sowie Warnwesten oder das richtige Absetzen eines Notrufes kennen. Sie legten sich gegenseitig einen Arm- oder Kopfverband an, schnitten Fingerkuppenpflaster zurecht und nahmen zum Abschluss mit
strahlenden Augen ein Wassereis entgegen, mit dem Wissen, dass dies nicht nur gut schmeckt und grundsätzlich gute Laune bereitet, sondern im Notfall auch bei Wespen- oder Bienenstichen im Mundraum zum (Hilfe-)Einsatz kommen kann. 

Erste Hilfe AG in der 5. Klasse

Unter situativer Verwendung von Beamer und Laptop, Dokumentenkamera, Erste Hilfe-Taschen, Erste Hilfe-Puppe, zahlreichen Bildkarten, Warndreieck, Warnwesten und vielen weiteren Materialien ebnete die Kursleitung den Schülerinnen und Schülern sukzessive den Weg zu altersgemäßen Ersthelfern. Wie in allen Kursen mit Kindern war es auch in dieser Jahrgangsstufe zunächst wichtig, die Teilnehmenden in ihrer Selbstwirksamkeit und in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken, ihr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten zu steigern und den Blick auf kooperative Zusammenarbeit zu richten. Alle Kurseinheiten waren auf einen hohen, der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler entlehnten Praxisanteil ausgelegt: sie mussten aktiv werden, um zu lernen und – im Wortsinne – zu begreifen. Sie taten dies sichtbar gerne und mit hoher Identifikation mit den jeweiligen Hilfe-Themen.

Impressionen

Resonanz

Die große Resonanz und positive Rückmeldung aller an den Projekttagen und AG-Nachmittagen beteiligten Schüler:innen und Lehrer:innen nach dem Abschluss im Juli 2022 führte zu einem eindeutigen Beschluss: Die Schule / Schulleitung am Turmberg wünscht sich eine regelmäßige Fortführung der Erste Hilfe AG, insbesondere für die jeweils aktuelle 5. Klasse.

  • Projektlaufzeit: 01.02.2022 – 31.06.2022
  • Projekttitel: „FÜRS LEBEN LERNEN – Erste Hilfe Spielaktionen für Schüler:innen“
  • Förderung durch: Heidehof Stiftung
  • Durchgeführt: Erste Hilfe Spielaktionen in den Klassenstufen 1 – 4, Erste Hilfe AG in der Klassenstufe 5

Dieses Projekt wird durch die freundliche Unterstützung der Heidehof Stiftung ermöglicht.